Google+ Julias Buchblog: Ingrid Noll - Ehrenwort

Montag, 15. Juni 2015

Ingrid Noll - Ehrenwort

Ehrenwort
Ingrid Noll
ISBN 9783257240955

Willy Knobel landet mit neunzig Jahren nach einem Sturz in Krankenhaus und die Ärzte geben ihm nur noch wenige Wochen.  Obwohl Harald eigentlich nur aufs Erbe wartet und ansonsten nichts mehr von seinem Vater wissen will, bestehen Haralds Frau Petra und ihr Sohn Max darauf, den alten Mann zum Sterben zu sich nach Hause zu holen, statt ihn ins Heim abzuschieben. Es ist ja nicht für lange – denken sie. Als sich Willi jedoch unter der liebevollen, wenn auch nicht ganz uneigennützigen Pflege seines Enkels wieder erholt, sind Petra und Harald bald genervt von den Launen des rechthaberischen quengeligen Alten, und bald beginnen erste bösartige Gedanken aufzutauchen. Ist Cognac nicht schädlich für ein schwaches Herz? Und ein nochmaliger Sturz in Willys Alter wäre doch sicher tödlich, oder? Doch wie immer bei Ingrid Nolls Geschichten geht so einiges schief und bald gibt es die erste Leiche. Nur Opa Willy wird von Seite zu Seite munterer...

Ingrid Noll seziert mit dem ihr eigenen scharfen Blick und rabenschwarzen Humor die vorgebliche Familienidylle der Knobels. Jeder hat etwas zu verbergen, doch durch die ungewohnte Situation und den ganzen Aufwand, den die Pflege eines Hochbetagten mit sich bringt, werden die sorgsam vertuschten Risse im Familienleben sichtbar. Leider flacht das Feuerwerk der bitterbösen Ideen nach der Hälfte etwas ab. Zudem sind die beiden Kleinkriminellen, die für weitere Verwicklungen sorgen, eigentlich überflüssig, dadurch wird die Story im letzten Drittel etwas unnötig überfrachtet und hektisch. Das ist schade, denn eine Konzentration auf die diversen dunklen Geheimnisse der Familienmitglieder hätte ausreichend Stoff geboten und gleichzeitig den Protagonisten etwas mehr Tiefe verleihen können. Trotzdem schafft es Ingrid Noll, einem heiklen Thema auch markaber-humoristische Seiten abzugewinnen, indem sie munter zu Papier bringt, was man eigentlich nicht einmal zu denken wagt. Wer Nolls Zynismus mag, wird mit  „Ehrenwort“ auf jeden Fall ein paar vergnügliche Lesestunden verbringen können.

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